Hintergrund: Musterfeststellungsklage und Zinsanpassung *

Im Juli 2024 hat der BGH in der Musterfeststellungsklage zu Ratensparverträgen mit fehlender Zinsanpassungsklausel bestätigt, dass der Referenzzinssatz „Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren“ (ehemals WU9554) eine mögliche Grundlage für die Nachberechnung der Zinsen bei Prämiensparverträgen sein kann. Ein weiterer Bestandteil der Nachberechnung der Zinsen ist der sogenannte relative Abstand. Bei Vertragsbeginn wird einmalig der relative Abstand des ursprünglichen Kundenzinses ins Verhältnis zum (zu diesem Zeitpunkt gültigen) Referenzzins gesetzt. Im Zuge der Nachberechnung wird dieser relative Abstand mit dem jeweils aktuellen Monatsreferenzzins multipliziert.

Beispiel: Der Kundenzins bei einem im Juli 2001 abgeschlossenen Vertrag beträgt 2,5 %, während der zu diesem Zeitpunkt gültige Referenzzins bei 5 % liegt. Es ergibt sich somit ein relatives Verhältnis von 50 %. Sinkt der Referenzzins im Zeitverlauf auf 2 %, so würde der berechnete Zins für den Vertrag zu diesem Zeitpunkt 1 % betragen. Zinsänderungen werden somit nahezu unmittelbar anhand des relativen Verhältnisses weitergegeben.

Die Parameter einer rückwirkenden Zinsberechnung sind somit festgelegt. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie mit dem Produktzins laufender Verträge ohne Zinsanpassungsklausel umzugehen ist. Eine Möglichkeit bestünde darin, mit den Kunden nachträglich eine Zinsanpassungsklausel zu vereinbaren, analog zu neueren Verträgen. Alternativ könnte das Urteil des BGH auf laufende Verträge übertragen werden. Das würde bedeuten, dass auf Basis des monatlichen Referenzzinses und des individuellen anfänglichen Verhältnisses eine fortlaufende Zinsanpassung vorgenommen wird.

ic.profit-view

ic.profit-view

Die Kalkulationssoftware ic.profit-view für das Variable Geschäft ermöglicht die Nachberechnung von Ratensparverträgen und ist zertifiziert nach IDW PS880 n.F.. Es können sowohl einzelne Verträge als auch das gesamte Portfolio über die Batchverarbeitung nachberechnet werden. Einzelberechnungen können als Kundenreport exportiert werden.

Herausforderungen in der Zinsbuchsteuerung

Für die Abbildung der Ratensparverträge im Zinsbuch-Cashflow nach der Methode der gleitenden Durchschnitte ergeben sich hierbei zwei wesentliche Herausforderungen:

  • Der Referenzzins ist ein Ist-Zins mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 8 bis 15 Jahren, dessen Änderungen unmittelbar und relativ weitergegeben werden müssen.
  • Bei gleitenden Durchschnitten mangelt es dem 10-Jahreszins an Reaktionsfähigkeit, während eine Disposition über kürzere Zinsen dann am kurzen Ende der Zinskurve anpasst und andererseits die Marge reduziert.

Eine Alternative besteht in der Abbildung über Kapitalmarktfloater (KMF) – auch unter dem Begriff CMS (Constant-Maturity-Swaps) bekannt, die eine dynamische Anpassung an den Ist-Marktzinssatz ermöglichen.

WU9554

Was ist ein Kapitalmarktfloater?

Ein Kapitalmarktfloater ist eine Anleihe oder ein Kreditinstrument mit variabler Verzinsung, dessen Kupon regelmäßig an einen Referenzzinssatz gekoppelt ist. Im Gegensatz zu klassischen Floatern, bei denen sich die Zinsanpassung auf einen kurzen Zins (z. B. 3-Monats-Euribor) bezieht und bei denen die Fixingperiode identisch zur Laufzeit des gefixten Zinses ist, unterscheiden sich bei Kapitalmarktfloatern die Laufzeit des gefixten Zinses von der Dauer der Gültigkeit des Fixings.

Die Kuponanpassung erfolgt beim Kapitalmarktfloater ebenfalls in festgelegten Intervallen (z. B. monatlich, quartalsweise oder jährlich), bezieht sich aber in der Regel auf einen längeren Kapitalmarktzins (z. B. 10 Jahre) und wird auf diesen mit einem gewissen Anpassungsfaktor (z. B. 80 %) fixiert. In Bezug auf Ratensparverträge könnte ein Kapitalmarktfloater so konzipiert werden, dass er das (anteilige) Zinsanpassungsverhalten der Bund-Umlaufrendite direkt widerspiegelt.

Hochlaufende Kapitalmarktfloater bieten eine zusätzliche Flexibilität, da sie eine graduelle Anpassung der Zinsen ermöglichen. Dies kann insbesondere bei Verträgen mit längeren Laufzeiten vorteilhaft sein, um starke Zinsschwankungen abzufedern und eine gleichmäßigere Zinsentwicklung zu erzielen.

Vorteile der Abbildung durch Kapitalmarktfloater (KMF) in der Risikomessung

  1. Exakte Abbildung der Zinsanpassung:
    • Durch die direkte Kopplung an den WU9554 kann der KMF die monatlichen Zinsanpassungen präzise spiegeln.
    • Der relative Abschlag lässt sich durch einen fixierten (relativen) Anteil abbilden.
  2. Steuerbarkeit im Zinsbuch:
    • Anders als Mischungsverhältnisse gleitender Durchschnitte ermöglicht der KMF allerdings keine direkte Integration in den Zinsbuch-Cashflow – stattdessen wird der Kapitalmarktfloater je Zinsszenario isoliert bewertet.
    • Simulationsrechnungen für verschiedene Zinsszenarien sind somit präzise möglich.
  3. Hedgebarkeit:
    • Da Kapitalmarktfloater als Finanzinstrumente handelbar sind, lassen sich Zinsrisiken durch entsprechende derivative Absicherungsstrategien effizient steuern.

Worauf ist bei der Implementierung eines KMF zu achten?

  • Korrekte Definition des Spreads: Der Abschlag zum Referenzzins (Anteilsfaktor des zu fixenden Zinses) muss modelliert werden, um die Charakteristik der Musterfeststellungsklage widerzuspiegeln.
  • Geeignete Zinsanpassungsintervalle: Die Kuponanpassung sollte regelmäßig erfolgen, um mit der erwarteten Zinsänderungssystematik der Ratensparverträge übereinzustimmen.
  • Bilanzielle und regulatorische Berücksichtigung: Die Abbildung im HGB- oder IFRS-Kontext erfordert eine Analyse der bilanziellen Implikationen.

Fazit

Die klassische Steuerung von Ratensparverträgen über Mischungsverhältnisse gleitender Durchschnitte ist für die Zinssteuerung nicht geeignet, da die Zinsanpassung relativ erfolgen soll. Kapitalmarktfloater bieten eine alternative Möglichkeit, die Zinsanpassungsmechanik transparent, steuerbar und absicherbar in das Zinsbuch zu integrieren.

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